Im Gedenken an die vor 63 Jahren getöteten Deutsche der

  • Wilhelm Gustloff (30.01.45 – 9.000 Tote), der
  • Goya (16.04.45 – 7.000 Tote) der Steuben (10.02.45 – 4.000 Tote) und der
  • Cap Arcona (03.05.45 – ca. 7.000-8.000 KZ-Insassen)

Spätestens seit Hollywoods Kinofilm “Titanic” wird wohl auch der (vor)letzte Teil der westlichen Zivilisation glauben, dass der Untergang der RMS Titanic am 14.04.1912 mit ca. 1.500 Toten die größte Schiffskatastrophe der Menschheit und der Welt überhaupt sei. Als größte Katastrophe der Seefahrtsgeschichte gilt aber zweifelslos die Versenkung des deutschen Passagierschiffes “Wilhelm Gustloff” durch das russische U-Boot S 13 mit ca. 9.000 (!) vor allem zivilen Opfern, darunter schätzungsweise die Hälfte Kinder. Also der 6-fach höheren Zahl an Toten als bei der Titanic…

Die Meinungen, ob es sich hierbei um ein Kriegsverbrechen handelt, gehen stark auseinander: die Gustloff war nicht als Zivilschiff unterwegs, das angreifende U-Boot wurde vorher attackiert und daher zum Unterwasserangriff legitimiert, etc. Dennoch denke ich persönlich, dass hier mehrere niedere Beweggründe eine Rolle gespielt haben, die eine Definition als Verbrechen rechtfertigen.

Nach nunmehr über 60 Jahre nach Kriegsende gibt es erste zaghafte Versuche, diese Tragödie ins Bewußtsein zu holen und die Toten zu würdigen, beispielsweise durch einen TV-Zweiteiler im ZDF. Wie heisst es doch so schön: “Die Kulturhöhe eines Volkes erkennt man daran, wie es mit seinen Soldaten und Gefallenen umgeht.”, Themistokles, griech. Staatsmann, bzw. “Man erkennt den Charakter eines Volkes daran, wie es nach einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht”, nach Charles de Gaulle und dem preußischen Historiograph Leopold.

Wie kann es sein, dass die größte Schiffskatastrophe so dermaßen wenig beachtet ja fast schon ignoriert wird? Einige der offensichtlichen Gründe hierzu fasst die Website www.wilhelmgustloff.com äußerst treffend zusammen, ich habe sie im Folgenden weiter ausgeführt:

  1. Die Katastrophe fand im Krieg statt
    Ein Krieg ist ein Krieg ist ein Krieg könnte man sarkastische sagen. Während in Friedenszeiten eine größere Katastrophe die volle Aufmerksamkeit auf sich zieht, sind im Krieg Tod und Verderben allgegenwärtig.
  2. Die Opfer waren Deutsche – die Kriegsverlierer
    “Die Geschichte schreiben die Sieger” – so war und ist es aus nachvollziehbaren Gründen immer in der Geschichte. Und in diesen ist wenig Platz für die Verluste und Dramen der Verliererseite. Hätte etwa in den letzten Tagen ein deutsches U-Boot vor der amerikanischen Küste ein Zivilschiff mit 9000 Zivilisten versenkt, hätte dies vermutlich den vorzeitigen (Präventiv)-Einsatz der Atombombe gegen Deutschland mit sich gezogen…
  3. Die Deutsche “Kriegsschuld” lässt wenig Platz für Mitleid
    Die letzten gut 60 Jahre waren wir Deutsche vor allem damit beschäftigt, uns unserer eigenen Kriegsgräuel (genauer doch eigentlich die unserer Vorväter, oder?) immer wieder bewußt zu sein, wofür es auch zahlreiche Personen und Institutionen gab und gibt, die uns regelmäßig daran erinnern. Die Gleichsetzung eines deutschen “Nazi”-Kriegstoten mit einem “normalen” Menschen – womöglich sogar einem Nazi-Opfer – galt bisher als höchst brisant für die externe Einstufung der eigenen Moral. Nur langsam drängt es sich in das Bewußtsein, dass es sich auch hierbei um Menschen handelte.
  4. Russische Vergeltung gegen Deutschland war legitim
    Deutschland hat den Krieg begonnen, Deutschland hat den Pakt mit der Sowjetunion gebrochen. Darüber hinaus galt der Krieg mit der Sowjetunion als besonders brutal: der Russlandfeldzug hatte andere Maßstäbe als der Krieg gegen die Westalliierten und die Einstufung des Gegners als “slawischen Untermenschen” tat ihr übriges bei zu den Kriegsgräulen auf deutscher Seite. Entsprechend hoch war das Rachepotential auf russischer Seite, als der Krieg sich wendete. Die Versenkung der Gustloff wurde daher (und wird überwiegend noch) auf sowjetischer Seite als nicht viel mehr als ein regulärer Kriegsverlust betrachtet.
  5. Die Welt hat Mitgefühl für Nazigrausamkeiten
    Mit dem Bekanntwerden der großen (Kriegs)verbrechen der NS-Diktatur nach Ende des Zweiten Weltkriegs – vor allem dem Holocaust – galt das globale Mitgefühl verständlicherweise primär dessen Opfern. Da Deutschland vor und nach dem Dritten Reich von Außen wesentlich “neutraler” und sachlicher betrachtet wurde, wäre ein vergleichbares Unglück in dieser Zeit international sicherlich auf mehr Mitgefühl gestoßen.
  6. Das Schiff wurde nach einem Naziführer benannt
    Der Namensgeber Wilhelm Gustloff war Nationalsozialist und wurde nach einem tödlichen Attentat (1936) zum “Blutzeugen der [NS]-Bewegung” gepuscht. Ihm zu Ehren wurde das neueste und größte Kdf-Schiff (Kraft-durch-Freude) von Hitler persönlich umbenannt, das ironischerweise ursprünglich auf “Adolf Hitler” getauft werden sollte.
  7. Das sowjetische U-Boot S 13 und sein Kapitän
    Der Abschuß der großen deutschen Passagierschiffe hatte auf sowjetischer Seite keinen sehr hohen Stellenwert, da der Kommandant vom U-Boot S 13, Alexander Iwanowitsch Marinesko alles andere als ein Vorzeige-Soldat war. Er fiel durch seine mangelnde Disziplin, Indiskretion und schlechten Charakter auf und wurde daher für seine Tat – entgegen seiner Forderung – nicht zum “Helden der Sowjetuntion” ernannt, sondern vielmehr nach dem Krieg unehrenhaft aus der Marine entlassen und wurde später aufgrund von Diebstahl zwei Jahre in ein Straflager inhaftiert. Seine Rehabilitation erfolgt 1990 mit der nachträglichen Ernennung zum “Helden der Sowjetunion” und der begleitenden Denkmalsetzung: Marinesko befehligte neben der Versenkung der Gustloff auch die der Steuben und verantwortet damit den Tod von ca. 13.000 Menschen.
  8. Unerwünschte Verluste zum Ende des Dritten Reichs
    Zum Kriegsende waren Meldungen wie der Verlust der Gustloff politisch und vor allem propagandistisch nicht erwünscht – entsprechend wurde hierüber kaum bzw. gar nicht berichtet. Interessant wäre es gewesen, wie die Bekanntgabe so vieler Todesfälle von Frauen und Kinder auf die westalliierte Presse gewirkt hätte.
  9. Keine Verbindung zu Amerika und Hollywood
    Kein Glamour, keine Titanic-Jungfernfahrt und kein amerikanisches Publikum – sondern abgeschlachtete deutsche Zivilisten in katastrophalen Umständen auf eiskalter See bei nächtlicher Flucht vor der Roten Armee. Kaum geeignet als abenteuerlicher, romantischer und oskarprämierter Filmstoff. Bleibt zu hoffen, dass der jüngst zunehmenden Berichterstattung über die Gustloff eine Würdigung der Toten folgt.
  10. Keine international prominenten Opfer unter den Toten
    Die Opfer der Gustloff waren “bürgerliche” Zivilisten. Kein Prominenter, dessen Schicksal Aufsehen erweckt hätte. Überhaupt fehlt ein internationaler Bezug für diese de Fakto innerdeutsche Katastrophe – und damit auch ein internationales Interesse. Umgekehrt waren auf der Gustloff fast die Hälfte der Opfer Kinder, weiterhin viele Frauen und nur ein kleiner Teil (vor allem verletzte) Soldaten – diese Faktoren hätten unter anderen Umständen sicherlich zu einer besonders “menschliche” Tragödie beigetragen.